Heute kann es regnen, stürmen oder schneien…

Zum Auftakt des heutigen Beitrages ein kleiner Ohrwurm gratis für alle Lesenden. Dieses wohlbekannte Geburtstagslied schwirrt mir schon seit Tagen im Kopf herum und das wohl aus zwei Gründen: Erstens war es tatsächlich eine Geburtagswoche, denn nicht nur meine halbe Familie, sondern auch gleich mehrere Freunde hatten Geburtstag. Zweitens, und das soll an dieser Stelle viel mehr Thema sein, passt es recht gut zu den Wetterbedingungen, mit denen uns die Hardangervidda diese Woche empfangen hat. Von Regen und Sonne, bis Schnee, Sturm und Hagel war alles dabei, gerne auch innerhalb eines halben Tages. Vielleicht waren es gerade diese wechselnden Wetterbedingungen mit ihren ständig neuen Lichtstimmungen und dramatischen Wolkenformationen, die die 120 Kilometer von Rjukan hier her nach Geilo so wunderbar eindrücklich gemacht haben.

Der Start am vergangenen Sonntag hatte es zunächst in sich: Rjukan liegt in einem sehr engen Tal auf 303m und da die Hardangervidda ja bekanntlich ein Hochplateau ist, hieß es im ersten Schritt die 600 Höhenmeter zu überwinden. Wohl gemerkt mit Proviant und Gepäck für sieben Tage auf dem Rücken. Es gibt eine Seilbahn und einen dazugehörigen Serpentinenweg wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Aber da die Seilbahn eh nicht in Frage kam und wir wenig Lust auf zusätzliche Straßenkilometer hatten, haben wir den direkten Einstieg gewählt und sind über einen sehr steilen und sehr abenteuerlichen Wanderpfad direkt in der Stadt gestartet. Abenteuerlich deswegen, weil ungefähr auf der Hälfte des Weges plötzlich ein Wasserfall auf uns wartete, der durchquert werden wollte. Hatte ich mich vorher noch kurz gefragt, ob ich mir wegen des beständigen Nieselregens besser meine Regenhose anziehen sollte, hatte sich diese Frage dann nach wenigen Schritten im Wasserfall erübrigt. Was ein Glück, dass es am Tag zuvor nicht mehr geregnet hatte, sonst hätten wir wohl an dieser Stelle umkehren und die schon überwundenen Höhenmeter wieder heruntergehen müssen. Es folgten noch einige weitere, von außen betrachtet sicherlich teils sehr amüsante Kriech- und Klettereinlagen, bis wir schließlich nach knapp 2 Stunden und immerhin 1,4km die erste große Hürde genommen hatten.

Oben angekommen empfing uns ein dichter, feuchter Nebel, wir waren in den Wolken angekommen. Überall tropfte es von den Bäumen und sämtliche Konturen waren verschwommen. Erst als wir uns zu einer kleinen Mittagspause hinsetzten, entdeckten wir erste Risse im Nebel. Hier und da erschienen Hügel und Felsen aus dem Grau, um kurz darauf wieder zu verschwinden. Aber, ein Anfang war gemacht und während wir stetig weiter liefen, befreite der Wind Stück für Stück die Landschaft aus ihrer grauen Ummantelung. Als wir am Abend auf einer kleinen Halbinsel unsere Zelte aufschlugen, hatte sich der Nebel schließlich vollends verzogen und es bot sich ein fast freier Blick auf den Gaustatoppen, den sehr charakteristischen Hausberg Rjukans.

Am nächsten Morgen wachten wir unter strahlend blauem Himmel auf und ließen uns im morgendlichen Leichtsinn tatsächlich zu einem (sehr) kurzen Bad hinreißen. Wach waren wir danach auf jeden Fall und nach ein bis zwei Stunden des Wanderns dann auch wieder warm.

Es lief sich gut in der Hardangervidda. Die Wege sind sehr umfangreich markiert und meist gut zu gehen, es gab vergleichsweise wenig Matsch und Sumpf und auch die Steigungen halten sich in diesem Teil in Grenzen. Echtes Genusswandern also, mit viel Gelegenheit die umgebenden Landschaft zu bestaunen und den eigenen Gedanken nachzuhängen.

Am Montag ging es für uns bis nach Kalhovd, einer Touristenhütte, die im Sommer bewirtschaftet ist. Da aber hier noch nicht wirklich Sommer ist und die Hütte erst Ende des Monats öffnet, kamen wir in der angeschlossenen Selbstbedienungshütte unter. Anders als die meisten DNT Hütten, versprüht Kalhovd wirklich nicht allzu großen Charme. Dennoch, bei Wind und Regen und 8 Grad Außentemperatur ist jede Hütte auf ihre Art gemütlich. In Regen und Wind ging es auch am Dienstagmorgen weiter, allerdings nicht lange, dann riss der Himmel auf und wir konnten den Rest des Tages die nahe und ferne Bergwelt bestaunen. Immer wieder gingen um uns herum kurze Schauer nieder, wir selbst blieben aber meist verschont. Gegen Abend kam die Mårbu Hütte in Sicht, ebenfalls eine im Sommer bewirtschaftete Hütte. Schon aus der Ferne konnte wir sehen, dass zahlreiche Menschen wie Ameisen um die Hütte wuselten. Nachdem wir den ganzen Tag keine weiteren Wanderer gesehen hatten, irritierte uns der Anblick für einen kurzen Moment, klärte sich aber auf, als wir nach einer Stunde die Hütte erreichten (ja, man kann die Hütten lange sehen, bevor man dort ist….). Es handelte sich um 14 Frauen und Männer, die sich hier zum alljährlichen Dugnad getroffen hatten, dem ehrenamtlichen Instandsetzen und Vorbereiten der Hütten für die Saison. Über mehrere Tage wird emsig renoviert, repariert und geputzt. Da die Haupthütte gerade einen neuen Innenanstrich bekommen hatte, waren alle in der angeschlossenen kleinen Selbstversorgerhütte untergebracht. Und nun kamen auch noch wir hinzu. Aber es wurde einfach ein wenig zusammengerückt und dann passte das schon. Es war ausgesprochen spannend und nett sich mit den fast ausschließlich ältere Männern und Frauen auszutauschen und ich bin am nächsten Morgen mit zahlreichen guten Wünschen für meine weitere Reise zum Nordkapp aufgebrochen.

Bei Sonnenschein ging es weiter hinein in die Hardangervidda und die Dugnad-Freiwilligen sollten die letzten Menschen bleiben, die wir bis kurz vor Geilo einige Tage später treffen sollten. Ab Mittwoch Nachmittag und bis zum kommenden Donnerstag Mittag waren hohe Niederschläge angesagt. Unser Plan sah daher vor möglichst zügig die 20km bis zur Rauhelleren Hütte zurück zu legen, um dann erst am Donnerstag Mittag weiter zu laufen. Da wir mittlerweile wussten, dass unsere Versorgungspakete in keinem Fall vor Samstag in Geilo sein würden, gab es so oder so keinerlei Grund zur Eile. Gesagt, getan. Der Weg war enorm gut zu gehen und wie so oft, kam das Wetter doch anders als gedacht. Um uns herum gingen gewaltige Schauer nieder, aber wir blieben trocken und konnten sogar eine ausgiebige Mittagspause mit Blick auf den Hardangerjøkullen, den großen Gletscher im westlichen Teil der Hochebene, genießen. Erst kurz vor der Hütte erwischte uns ein ordentlicher Regen- und Graupelschauer.

Am Donnerstag Morgen schliefen wir aus, packten in aller Ruhe unsere Sachen und putzen die Hütte. Erst gegen Mittag machten wir uns schließlich auf den Weg. Gerade als wir die Tür hinter uns geschlossen hatten, wurde deutlich, dass der angekündigte Regen nicht etwa ausgeblieben, sondern nur etwas verspätet unterwegs war. Fast schwarze Wolkentürme schoben sich von Süden auf uns zu, stürmische Windböen peitschten den ersten Regenschauer über den See zu uns herüber. Aber gut, nun waren wir ja unterwegs. Die dunklen Wolken und der eisige Wind blieben den ganzen Tag unsere Begleiter und am Abend fiel dementsprechend das Abendessen vor dem Zelt doch etwas kürzer aus und schnell fanden wir den Weg in unsere warmen Schlafsäcke.

Der Freitag brachte uns zunächst mal wieder Sonnenschein und wir liefen fröhlich weiter Richtung Geilo. Erst kurz vor dem geplanten Ende unserer Etappe erwischte uns ein kurzes Unwetter und leerte einen ganzen Eimer Hagelkörner über uns aus. Gleichzeitig setzte ein Wind ein, der uns mit seinen stürmischen Böen immer weiter hinunter ins Tal trieb, bis wird schließlich nur 5km vor Geilo ein letztes Mal für diese Etappe unser Zelt aufschlugen.

Am Samstag gegen Mittag erreichten wir Geilo und unser erster Weg führte uns in die örtliche Filiale einer großen norwegischen Pizzakette. Nach der Anstrengung der vergangenen Tage und den kalten Temperaturen, war es wohl kein Wunder, dass wir beide unsere Pizza mehr einatmeten, als aßen. Am Zeltplatz angekommen, bezogen wir eine kleine Hütte, wuschen unsere Wäsche und hofften beständig, dass unsere Versorgungspakete noch am selben Tag ankommen würden, damit es am Montag früh, nach einem ausgiebigen Pausetag weiter gehen könnte.

Das Resümee der Woche: Es war eine wunderbare Zeit, mit sehr schönen langen Wandertagen in einer beeindruckenden Landschaft. Es hätte hier und da ein wenig wärmer sein können, aber insgesamt war es schon ok mit dem Wetter. Ich habe die Hardangervidda auf jeden Fall schon bei schlechterem Wetter erlebt. Es macht wahnsinnig Spaß mal nicht alleine unterwegs zu sein und mit Nora eine Wanderpartnerin zu haben, die nicht nur ein sehr ähnliches Tempo läuft, sondern auch meinen Humor teilt. So kann es weitergehen.

Hoffentlich bald, denn mittlerweile ist Montag Nachmittag und wir sitzen immer noch in Geilo fest und warten auf unsere Pakete. Aber morgen kommen sie…ganz bestimmt.

2 Gedanken zu “Heute kann es regnen, stürmen oder schneien…

  1. holger radtke-oestreich

    Hallo Swantje, wir sind nach traumhaftem Wetter in der Mitternachtssonne am Nordkap in Alta angekommen. Unterwegs haben wir Marco und Niklas getroffen,die ebenfalls zu Fuss unterwegs waren. Tolle Leistung und wunderbare Eindrücke!
    Alles Gute fūr deine Tour wūnschen Bianca und Holger aus der Schmiedekoppel

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    1. Hallo Bianca, hallo Holger, wie schön zu hören, dass ihr das Nordkap bei so gutem Wetter erleben konntet – da hoffe ich dann auch drauf im Oktober! Wo geht es denn für euch jetzt hin? Viele Grüße aus dem Süden Norwegens

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