Das Abenteuer hat begonnen

So fühlt es sich also an, wenn man nach Wochen und Monaten der Planung tatsächlich unterwegs ist. Es ist immer noch ein wenig diffus und durchaus schwankend: Es gibt Momente unbändiger Freude, voller Spannung, Aufregung und Begeisterung in Anbetracht der bereits zahllosen wunderbaren Erlebnisse und Eindrücke in den letzten Tagen. Dann gibt es Momente, in denen die Blase am Fuß drückt, der Rucksack sich zentnerschwer anfühlt, der Regen beständig aufs Zelt prasselt oder das zwanzigstes Auto lautstark an einem vorbei rauscht. Dann ist für einen kurzen Moment nicht mehr so viel da von der großen Vorfreude auf die kommenden Monate. Und natürlich habe ich ein klein wenig Heimweh und vermisse meine Lieben zuhause. Aber zeitgleich weiß ich, dass so viele in Gedanken bei mir sind und das tut wahnsinnig gut. Insgesamt also ein klassisches Wechselbad der Gefühle.

Seit dem Start am Leuchtturm in Lindesnes sind 5 Tage vergangen. Ich habe insgesamt 120km zurückgelegt und bin heute Nachmittag in Ljosland, dem Ziel meiner 1. Etappe angekommen. Der Weg hierher bestand zum großen Teil aus Teerstraßen, nur manchmal ging es ein paar Kilometer über Schotterpisten. Wer schon mal über mehrere Kilometer mit schwerem Rucksack und Wanderstiefeln über Asphalt gelaufen ist, kann sich ungefähr vorstellen, wie sich meine Füße die meiste Zeit angefühlt haben. Aber es ist nun mal ein notwendiges Übel, um vom Süden zum Einstieg ins Wanderwegenetz zu kommen. Zu meinem großen Glück hat mich Wendelin an den ersten 4 Tagen begleitet. Das hat den Start deutlich einfacher und vor allem sanfter gemacht. Und es ist nicht so, dass Norwegens Süden nicht auch entlang der Straßen Besonderes und Schönes zu bieten hätte. Es würde den Rahmen sprengen, von all den schönen, besonderen, nervigen und komischen Momenten und Situationen der letzten Tage zu berichten. Daher hier nur ein kurzer Abriss der eindrücklichsten Ereignisse, der guten wie der schlechten.

Am ersten Tag war der sonnige Morgen am Leuchtturm mein absolutes Highlight. Durch die recht frühe Uhrzeit, waren wir so gut wie alleine und ich konnte mit dem Leuchtturm im Rücken und Blick auf das Meer in aller Ruhe realisieren, dass es nun wirklich losgeht. Danach ging es zum Haus der Leuchtturmwärter. Nach kurzen Klopfen öffnete mir Leuchtturmwärter Frank und übergab mir nach einem netten Plausch das Buch, in das sich all diejenigen eintragen können, die eine Reise aus eigener Kraft vom Süd- zum Nordkap unternehmen. Sei es mit dem Fahrrad, mit dem Kajak (auch noch mal eine Überlegung wert), auf Skiern oder eben zu Fuß. Nachdem dann alle Fotos gemacht waren und ich ein letztes Mal tief durchgeatmet hatte, ging es endlich richtig los.

Nur eine Stunde nach dem Loslaufen, schloß sich direkt mein bisheriges Lowlight der letzten 5 Tage an. Und das Schlimmste ist, ich kann ausschließlich mir selbst die Schuld geben. Ich hatte es mir so schön überlegt: Da ich nicht allein losgelaufen bin, wollte ich die ersten Tage in leichten Trekkingschuhen gehen, um die Füße auf dem Asphalt zu entlasten und Wendelin sollte sie dann wieder mit zurück nehmen. Nun waren diese Idee und auch die Schuhe erst wenige Tage alt. Ich hatte sie also noch nicht wirklich getestet. Und wie sollte es anders sein: Nach einer Stunde war sie da, die erste Blase. Dazu muss man sagen, dass ich grundsätzlich gar nicht zu Blasen neige. Genau genommen kann ich wohl an einer Hand abzählen wie oft ich eine hatte. So ein verdammter Mist. Also: Blasenpflaster rauf und rein in die Wanderstiefel. Ich werde mich wohl noch einige Tage bei jedem Schritt an diese Dummheit meinerseits erinnern…Im weiteren Verlauf des Tages sind wir noch in ein Fahrradrennen geraten, haben mit vielen interessierten Menschen am Wegesrand gesprochen und ich wurde von einem christlichen Motorradfahrer gesegnet. Und das war noch lange nicht alles.

Ein weiteres Highlight folgte gleich am zweiten Tag: Wir liefen nichtsahnend nach Lyngdal, als wir wieder in besagtes Fahrradrennen gerieten (Tour of Norway – für die Interessierten). Es fühlte sich an, als sei der gesamte Ort auf den Beinen. Gerade als wir überlegten, wann und wo wir unsere Mittagspause einlegen sollten, kam über die Wiese ein Norweger auf uns zu und lud uns spontan zu seiner Geburtstagsfeier ein, die er auf Grund des Radrennens praktischerweise an die Straße verlagert hatte. Die kommende Stunde verbrachten wir also mit HotDogs, Kaffee, Lapper ( norwegischen Pfannkuchen) und vor allem mit einer ganzen Reihe interessanter Gespräche. Als wir dann wieder aufbrechen wollten, folgte etwas, das alle geschulten Ohren wohl in Angst und Schrecken versetzt hätte: Nachdem erst gemeinsam ein „Happy Birthday“ auf Englisch intoniert wurde, folgte die unausweichliche Aufforderung an uns, nun auch die deutsche Version zum Besten zu geben. Wer mich kennt weiß, dass Singen definitiv nicht zu meinen Stärken gehört. Schon gar nicht vor geschätzten 40 und gefühlten 100 Menschen. Aber gut, da mussten wir nun mal durch, zumal wir so herzlich empfangen wurden.

Der dritte Tag war ein klassischer Tag 3: Die Füße schmerzten, der Rucksack war schwer, die Straße hart. Um so mehr haben wir uns gefreut, als wir mehrfach für längere Zeit dem Asphalt entkommen und auf kleine Wanderwege ausweichen konnten. Zudem war das Wetter ein Traum, der kleine Zwischenstopp am Supermarkt zwecks Eisaufnahme hat die Laune eindeutig gehoben und der Zeltplatz am See grundsätzlich für den langen, anstrengenden Tag entschädigt.

An Tag vier haben wir noch mal so richtig Anlauf genommen und insgesamt 30km bewältigt. Ziel war ein kleines AirBnB in Kyrkjebygda. Mit der Aussicht auf eine Dusche und ein warmes Bett, lief es sich fast wie von selbst. Naja, ein wenig leichter zumindest. Außerdem ist das Frühstück in Arnas kleiner Pension wirklich einige Straßenkilometer wert. Nachdem wir uns heute morgen mit Eiern, Bacon und selbstgemachter Marmelade den Bauch vollgeschlagen haben, ließ sich der Abschied nicht mehr länger hinauszögern. Während Wendelin sich an die Straße gestellt hat, um eine Mitfahrgelegenheit gen Süden zurück zu unserem Auto zu ergattern (eine echte Glückssache an einem Sonntagmorgen in einem kleinen norwegischen Tal), habe ich mich alleine auf den Weg gen Ljosland gemacht. Die ersten Stunden waren ungewohnt. Plötzlich war niemand mehr da, mit dem ich meine Gedanken und Eindrücke teilen konnte. Um der Wehmut und den düsteren Gedanken direkt die Stirn zu bieten, habe ich mich in die Routine gestürzt, pünktlich jede Stunde eine Pause gemacht und ganz vielleicht auch hin und wieder mit mir selbst gesprochen.

Nun bin ich hier in der Fjellstove angekommen, habe lecker zu Abend gegessen und ein paar Sachen gewaschen. Während ich dies schreibe, prasselt draußen der Regen, es donnert und blitzt und ich bin gewaltig froh gerade nicht in meinem Zelt zu liegen.

Morgen früh ist es dann endlich soweit – das Fjell ruft. Nachdem ich hoffentlich den Inhalt meines Versorgungspaketes in meinen Rucksack befördert habe, werde ich mich endlich weg von der Straße und hinein in die Berge aufmachen. Die Wettervorhersage ist eher durchwachsen, ich bin gespannt was mich erwartet. Sicherlich wird es mindestens einen Pausetag in einer der kommenden Hütten geben. Da werde ich dann am knisternden Ofen sitzen, Kakao trinken und mich darüber freuen, dass mein Abenteuer nun wirklich begonnen hat.

4 Gedanken zu “Das Abenteuer hat begonnen

  1. Iris

    Liebe Swantje. Ich finde es großartig was du machst und wie toll du darüber berichtest. Die Blase am Fuß habe ich direkt mit gespürt und auch das blöde Gefühl nachdem du dich alleine auf den Weg gemacht hast.
    Bleibe gesund, munter und fröhlich.
    Bis bald. Gruß Iris

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  2. Arne

    Liebe Swantje,
    Johannes hat mir deinen Blog geschickt, und ich freue mich total, auf diesem Wege mal wieder von dir zu hören!
    Dir alles Gute auf deiner Tour. Toll, dass du das machst.
    Ganz liebe Grüße aus dem Süden.
    Arne

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